Onkel Afrika unterwegs …

6 Monate Sabbatical in Uganda

SabbatiWAS??…
… „red´ Deutsch mit mir!“

Das war die Reaktion meines Arbeitgebers, als ich gaaanz vorsichtig anfragte, ob es möglich sei, eine Auszeit, „Sabbatical“ zu nehmen.

Rückblende: ein halbes Jahr vorher entstand während unserer Ugandareise die Geschäftsidee. Schon beim Besuch 2016 hatte es uns in Uganda so gut gefallen, dass wir diesen zweiten Trip nutzen wollten, um mögliche Geschäftstätigkeiten für Ulf auszuloten. Theresa ist ja seit Juli wohlverdiente Ruheständlerin, zur Verwirklichung unseres Traums, in Afrika zu leben, brauchte Ulf allerdings noch eine Einkommensquelle.

So entdeckten wir in Entebbe diesen Straßenhändler, der Jackfruchtstücke verkaufte. Wir hatten die riesigen Früchte bereits im Garten unseres Hotels bestaunt, nun mussten wir sie unbedingt probieren. Nachdem wir mein Schweizer Taschenmesser fast ruiniert hatten (die reifen Früchte kleben wie Sau!), waren wir begeistert vom Geschmack: eine Mischung aus Ananas, Mango und Banane beschreibt ihn einigermaßen.



„Wie wird die Frucht eigentlich kommerziell vermarktet?“ lautete der Suchbegriff bei Google. Die Antwort: „Gar nicht.“ Mensch, da könnte man doch… Unsere Geschäftsidee war entstanden.

Ein halbes Jahr voller abenteuerlicher Entwicklungen liegt hinter uns, Anfang September 2017 fliegen wir für sechs Monate nach Uganda! Wir wollen dort feststellen, ob wir uns das Leben in Uganda auch für längere Zeit vorstellen können. Und wir müssen natürlich sehr viel vorbereiten für unser Geschäft mit den Jackfrüchten.



Wir haben uns den Ort Jinja in Ostuganda ausgesucht, das Attribut „entschleunigt“ aus dem Reiseführer trifft es ganz gut. Herrlich gelegen zwischen Viktoriasee und der Nilquelle, mit vielen alten Kolonialbauten, sehr freundlichen Menschen (wie überall in Afrika…) und sogar einem 9-Loch Golfplatz im Angebot. Und so entstand unser Unternehmensname Jinja-Jack.


Vorbereitung

Inzwischen sind viele Ordner gefüllt mit unseren Planungen und Vorbereitungen für unser Unternehmen Jinja-Jack und unseren 6-monatigen Aufenthalt in Uganda.

Die Jackfrucht hat es uns angetan: Von manchen als neue Superfrucht beschrieben, fanden wir heraus, dass sich Veganerkreise auf die unreifen, geschmacksneutralen Früchte stürzen, um sie als Fleischersatz zu nutzen. Es gibt einige Wettbewerber, die eingelegte Früchte aus Asien anbieten, aber noch keinen aus Afrika. Bis jetzt!

Marktfrauen in Entebbe mit Jackfrucht

Unsere Vorbereitungen nach Themengebieten sortiert:
Job, Versicherungen, Finanzen

Mit Engelsgeduld und einer gewissen Hartnäckigkeit konnte ich meinen Arbeitgeber zur besagten Sabbatical-Vereinbarung überreden. Dazu wird ein Wertguthabenkonto eingerichtet und ich habe die letzten Monate auf einen Teil meines Gehalts verzichtet, der diesem Konto gutgeschrieben wird. Während der Abwesenheit bekomme ich das angesparte Guthaben monatlich ausgezahlt, unter Weiterbestehen aller Sozialversicherungen.

Dank der völlig durchgeknallten Immobiliensituation hier in München war es kein großes Problem, Untermieter für die sechs Monate zu finden. Zufällig tritt der Neffe meines Freundes nach seinem Studium nun ins Berufsleben ein und benötigt eine Wohnung für die Probezeit. Bingo! Und Theresa konnte einen Gastdozenten für das Semester gewinnen. Mit Erlaubnis unseres Vermieters haben wir also beide Wohnungen möbliert untervermietet, mit meinem Sabbatical-Einkommen und den Mieteinnahmen komme ich bei den geringeren Lebenshaltungskosten in Uganda ganz gut über die Runden. Und Theresa bekommt ja auch noch ihre Rente. Des passt scho.

Für den längeren Auslandsaufenthalt brauchten wir noch eine Auslandskrankenversicherung. Eine normale Reiseversicherung funktioniert nicht für diese Dauer, wir sind dann bei Hanse Merkur, bzw. Central gelandet. Die decken alles ab, inkl. Rücktransport nach Deutschland bei Bedarf. Die Kosten der verschiedenen Anbieter variieren stark, je nach Alter der Person, ich zahle ca. 34€ monatlich. Preisvergleich ist hier zwingend: wir hatten Angebote zwischen 200€ und 650€ für die 6 Monate!

Da ich eh renovieren musste, wurde der Hausstand entrümpelt. Nach mehreren Flohmarktaktionen leeren sich die Regale langsam und die Reisekasse füllt sich. Platten- und CD-Sammlung? Alles als mp3 vorhanden, weg damit. Plattenspieler gleich mit. Anzüge trage ich sowieso nicht mehr, bis auf einen alle auf den Flohmarkt …

Die alte Krankenkasse wollte keine Malaria-Prophylaxe zahlen. Glücklicherweise kam gerade rechtzeitig eine Prämienerhöhung: Kündigungsgrund. Die neue zahlt alle Reiseschutzimpfungen, bei 50€ pro 12er Pack Malarone wieder was gespart. Wir werden übrigens nur für die ersten zwei, drei Wochen Prophylaxe nehmen, bis wir etwas eingegroovt sind, wie meine Hausärztin empfahl. Danach heisst es: lange Ärmel und aufpassen!

Theresas kaum genutzter kleiner Twingo, den sie mit viel Liebe eckig gemacht hatte, wurde frisch getüvt und verkauft. Der ist jetzt zum Pizza-Taxi befördert worden:

Reiseplanung

Uganda hat ein supermodernes Visasystem, alles online und sehr schnell erledigt. Wir haben jetzt dreimonatige Touristenvisa und müssen vor Ort einmal für weitere drei Monate verlängern. Aktuell war Brussels Air der beste Anbieter für unsere Flüge, ausserdem erlauben die pro Person 2x23kg Gepäck!

Die erste Nacht werden wir wie immer im Entebbe Backpackers verbringen. Mit dem vielen Gepäck wollen wir ungern mit Matatus reisen, daher bringt uns Ugandas freundlichster Taxifahrer Fred am nächsten Tag nach Jinja. Dort haben wir Besichtigungstermine für möblierte Häuser und Apartments vorbereitet, ein zwingendes Auswahlkriterium ist eine schöne Veranda mit Ausblick!

Neben der vielen Arbeit vor Ort wollen wir natürlich auch noch reisen. Ein Besuch im Murchison Falls Nationalpark und in Kidepo Valley sind auf der Liste.

Jinja-Jack

„Yes, that´s correct: one hundred thousand dollars.“ Das war die Antwort des Chief Immigration Officers, die unsere ursprünglichen Pläne in die Tonne beförderte. Um als Ausländer in Uganda ein Unternehmen zu gründen, muss dieser Betrag als security bond hinterlegt werden.

Unser ursprünglicher Plan sah vor, in Jinja einen Produktionsbetrieb aufzubauen und dort zu leben. Rückblickend bin ich ganz froh, dass daraus nun nichts wird. Spätestens nach meiner Hygieneschulung für Lebensmittelhersteller bekam ich Zweifel, ob wir als Laien das in Uganda hinbekommen. Das Trinkwasser dort kommt aus dem mit Abwässern belasteten Viktoriasee und ist dank Chlorzusätzen relativ sauber … Nicht wirklich geeignet für die Lebensmittelproduktion. Und wie fast überall in Afrika ist die Stromversorgung nicht sehr stabil, nach Ausfällen ballern die Spannungsspitzen beim Wiederanfahren durchs Netz, die unseren hochwertigen Geräten wohl den Garaus beschert hätten. Zur Haltbarmachung unserer Produkte hätten wir einen teuren Autoklaven nach Uganda schaffen müssen, inkl. Inbetriebnahme durch einen deutschen Experten. Enorme Kosten und enormes Risiko.

Ein sehr hilfreiches Beratungsgespräch durch einen Lebensmitteltechnologen brachte uns auf den Weg: „Warum arbeitet ihr nicht mit einem Lohnhersteller?“ Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt! Und so machen wir es jetzt, wir sind in Verhandlungen mit Lohnherstellern in Deutschland, die unsere Produkte nach höchsten europäischen Hygienestandards herstellen und verpacken werden. In Uganda müssen wir nun die ganze Logistikkette organisieren. Die Landwirte haben wir schon, fehlt noch die Export- und Transportlösung. Mit Seefracht dauert die Reise ca. 55 Tage, danach ist jede Frucht Matsch. Also Luftfracht, aber da wir die teuren Investitionen für die eigene Produktion nun nicht mehr haben, bleibt so trotzdem noch was über. Zusätzlich noch die ganzen Zertifizierungen, Anmeldung beim BLE etc. Auf diesem Weg ist unser Investitionsrisiko während der start-up-Phase sehr gering. Wenn sich alles so entwickelt, wie wir hoffen, können wir die Produktion schnell hochfahren und vielleicht später tatsächlich selbst produzieren. Im Idealfall lassen sich später auch längere Aufenthalte in Uganda jedes Jahr realisieren.

Das Gewerbe ist angemeldet, ein tolles Logo hat uns Bianca erstellt:

Konkrete Produktideen und erste Kontakte mit potenziellen Abnehmern existieren, eine Zielfirmenliste mit mehr als 500 potenziellen Kunden ist vorbereitet. Let´s go!

Theresa mit Hilfe von Janet beim Zerlegen der ersten Jackfruch

6. September 2017, es geht los!!
Die hohe Kunst des Packens

Ich mache eine Reise und packe ein: Kleider, Hosen, Shirts, Wäsche, Jacken, Tücher, Schuhe, Wäsche, Taschen, Hüte, Kamera, Bikini, Blusen, Röcke, Malutensilien, Waschutensilien, Notebook, e-book Reader … zweimal 23 kg, klingt doch viel, aber wieso will nicht alles in die Koffer passen und wieso wiegen sie einfach mehr? Es muss doch alles mit?!
Abschied

Warum geht man fort?
Damit man zurückkehren kann,
um den Ort, den man verlassen hat,
mit neuen Augen und zusätzlichen Farben zu sehen.

(Terry Pratchett)

Lufthansa check-in in München


… reisen

Wir fliegen mit Brussels Airlines, planmäßige Abflugzeit 8.20 Uhr, vernehmen aber, dass eben festgestellt wurde, dass am Flieger „eine kleine Schraube locker“ sei. Das „Festschrauben“ dauert eine halbe Stunde. Also mit der planmäßigen Ankunft in Brüssel um 9.40 Uhr Uhr wird es wohl nichts, immerhin ist unser Weiterflug nach Entebbe um 10.40 Uhr – das wird knapp. Ein kleines charmantes, aber bestimmtes Vordrängeln bei der Endlosschlange an der Passkontrolle muss sein – geschafft. Entspannter Flug nach Entebbe und Ankunft ca. 19.35 Uhr.




… ankommen

Unser Uganda-Taxi-Driver-Freund Fred ist schon da:



Wir freuen uns sehr ihn wieder zu sehen und fahren nach Entebbe in unser bekanntes Backpackers-Haus. Wir sind wieder da, die Luft ist weich und warm, der Himmel sternenklar, es ist schon Vertrautheit, dieses Afrikafeeling. Übrigens „Lachen reinigt die Zähne“ sagt der Afrikaner – dann gehen wir schlafen. Fred holt uns am nächsten Morgen ab auf unsere Weiterreise nach Jinja. Wir müssen nach Kampala, durch Kampala durch und von Kampala hinaus. Das bedeutet für die Strecke Entebbe-Jinja von ca. 120 km ca. 5 Stunden Fahrt.

Unterwegs werden wir von der Polizei aufgehalten. Der Vorbesitzer von Freds Auto hat zwei Strafmandate nicht bezahlt. Nach schier endlosem Palaver gelingt es Fred mit ein klein wenig „Taschengeld“ die Polizisten entgegenkommend zu stimmen und uns weiterfahren zu lassen.


mit versteckter Kamera…

Und Jinja ist da – sind wir weg gewesen? Im Brisk Hotel angekommen, vereinbart Ulf Termine mit unseren Partnern für unser Objekt „Daheim in Uganda“ – Haus am See.

… unser Haus am See

Wir hatten uns auf diese „must-haves“ für unser voll möbliertes Zuhause für die nächsten 6 Monate festgelegt:

schöner, ruhiger Außenbereich mit Aussicht
fußläufig zur Main Street
einigermaßen sicher
vernünftige Dusche und Matratze
maximal 500 US$

Der abenteuerliche, voll durchgetaktete Freitag hat gezeigt: In den Randbezirken und Vororten Jinjas gibt es so was eher, aber da wollen wir nicht hin. Abends im Dunkeln auf den Boda-Boda Mopeds ewig durch die Gegend gurken: kommt nicht in Frage. Im Stadtbereich gibt es möblierte Wohnungen in sehr schmuddeligen Häusern zu Mondpreisen, bis zu 2000 US$ für große Häuser! Wir suchen also nach der Nadel im Heuhaufen.

Unser Jackfrucht-Scout Benson hatte einige Immobilien für uns vorbereitet. Nach erster Besprechung blieb davon noch ein Haus übrig. Vor Ort (im Boda-Boda Konvoi) fanden wir eine verlassene, runtergekommene Anwaltskanzlei an einer lauten Kreuzung ohne irgendwas drin. Miete: 5000 US$ pro Jahr. „Benson: we said FURNISHED??!!“

Das fängt ja gut an. Später stellte sich dann übrigens heraus, dass uns die Haushälterin die falsche Wohnung gezeigt hatte. Die möblierte war im 1.Stock… Aber da war zum Glück schon alles entschieden.

Der nächste war Julius. Den hatten wir im Februar schon kennengelernt, als er sich als Eigentümer mehrerer Apartments ausgab. Im Vorfeld hatten wir einen Besichtigungstermin für ein bestimmtes Objekt vereinbart. Das war natürlich nicht verfügbar, dafür zeigte er uns Absteigen in Rohbauten neben Großbaustellen und Fabriken am Stadtrand in düsterster Lage. Für 650 US$. Unsere Laune wurde immer besser.

„Ich kenne da diese Frau, die hat ein paar kleine Häuschen am See.“ Das hört sich doch schon besser an!

Das wird schwer zu toppen sein. Aber der Preis… Bei 700 US$ fingen wir an. Nach einem weiteren Telefonat zwischen Julius und der Eigentümerin Victoria waren wir schon bei 650 US$. Negotiable, laut Julius. Die ganze Zeit stellte er sich mehr als hilfsbereiter Kumpel dar, der uns bei seiner Bekannten unterbringen könnte.

„Lass uns die nächsten Termine wahrnehmen, wir melden uns“. Als nächstes war Bryony dran, eine Maklerin. Engländerin, frühere Overland-Fahrerin, vor Jahren in Jinja hängengeblieben. Sie hatte, genau wie ich, viel von Afrika gesehen und Jinja gefiel ihr am besten. Das Objekt, das sie uns eigentlich vereinbarungsgemäß zeigen wollte, war am Vormittag vermietet worden. Jetzt hatte sie noch „Casa Mia“ im Angebot, eine neue Hotelanlage einer Italienerin. Super gepflegt, tolles Restaurant dabei, aber „unser Haus“ hätte keinerlei Privatsphäre gehabt. Außerdem winzige Zimmer, etwas zu weit draußen und erst ab Oktober verfügbar.

Jetzt aber schnell los, der wichtigste Termin mit dem Makler Nasser steht an! Seine Agentur hatte mehrere spannende Objekte im Angebot, unter anderem das Haus mit der tollen Aussicht, von dem wir schon berichtet hatten. Am Vortag hatten wir den Treffpunkt Java House verabredet, am Ortseingang beim großen Roundabout an der Kampala Road. Ca. 15 Minuten Fahrt mit Boda Bodas, wir hatten noch etwas Zeit und haben im Java House den leckersten (und teuersten) Kaffee Afrikas getrunken. Pünktlich um 16h00 rief Nasser an und wollte uns an der Main Street treffen. Super, da waren wir gerade hergekommen. Also wieder auf die Mopeds und zurück!

Das eine möblierte Haus war dann doch zu weit draußen, aber das Cottage am See für 500 US$ ist immer noch frei! Telefonat, Besichtigungstermin. Moment: “Victoria?? Wir haben gerade auch schon ein Haus am See bei einer Victoria gesehen?!“ Nasser fiel gerade mal alles aus dem Gesicht. „Wenn Ihr schon mit Julius da wart, hat er das Vorrecht.“ „Aber Julius ist doch gar kein Makler, außerdem sprach er von 700, oder 650 US$?“

„Julius? Yeah, I know him. He is an agent. Also: in Uganda everybody is an agent …“ Der Kollege wollte doch tatsächlich 150 Dollar im Monat Kommission einsacken!

Aufgrund der Tatsache, dass wir schon vor zwei Monaten bezüglich dieses Cottages kommuniziert hatten und ja auch einen Termin speziell für dieses Objekt verabredet hatten, ließ sich Victoria überreden, uns zu sehen. Zwei ihrer Cottages kamen in Frage, eins in der ersten Reihe am See, eins direkt dahinter. Preis 600, bzw. 500 US$. Nach langer, sehr zäher Verhandlung konnten wir uns einigen, wir haben es!! Theresa sprang jauchzend durch den Garten, es ist wunderbar! Ungefähr 500 Meter zur Main Street und zum Golfplatz, ruhig, super sicher, sehr schön eingerichtet mit traumhafter Veranda. Wir haben einige Monate im Voraus bezahlt, dafür haben wir es für 500 bekommen. Eventuell müssen wir einmal zwischendrin in das identische Nachbar-Cottage umziehen, das steht aber noch nicht fest.

Am Samstag hat Benson einen Kutscher mit großem Auto für uns klargemacht. Pünktlich um 10h30 kamen sie zu unserem Hotel und brachten uns mit dem vielen Gepäck in unser neues Heim. Danach Großeinkauf im Supermarkt, Bottle Store und am Markt für frisches Gemüse und Fleisch. Abends hat Theresa uns ein super leckeres, erstes Festmahl gekocht und wir haben ewig auf unserer Veranda gesessen und bei Gin Tonic den Grillen zugehört.

Hier werden wir uns sauwohl fühlen! Nach den paar Tagen in Afrika ist wie üblich mein Tinnitus fast ganz weg, die Pickel auch und mein zuletzt etwas zwickender Fuß ist auch wieder o.k.

Die Magie Afrikas!

Fazit:

Aus JINJA-JACK wird JINJA-CHIC

Um es kurz zu fassen: die Jackfrucht-Geschäftsidee haben wir verworfen. Sehr blauäugig wollten wir mal eben so ein Lebensmittel herstellen und auf dem EU-Markt vertreiben. Vom Acker, auf dem der Baum steht, über den Transport, die Verarbeitung, Lagerung bis zum Vertrieb können wir keinen einzigen der Prozessschritte selbst abdecken. Dazu noch Im- und Exportthemen, Qualitätssicherung/Produktionshygiene, Haltbarkeit undsoweiter… Ich hatte schon Albträume, in denen eine Schulkantine verdorbene Jackfrüchte an die Kinder ausgegeben hat. Das ganze wurde uns zu komplex und zu riskant.

Streiche Jackfrucht, setze Dirndl… Die werden nicht schlecht, unsere ersten 6 Modelle sehen klasse aus und wir fühlen uns beide viel wohler mit unserem ursprünglichen Plan „B“. Wir haben inzwischen hier alles aufgebaut: Stofflieferanten, Nähereien und Versand.

Die ersten Maßanfertigungen aus unserer Stoffauswahl können wir von Deutschland aus von unserem Team hier in Uganda produzieren und versenden lassen. Die Qualität in der Fertigung ist inzwischen gut und wir sind gewappnet für einen Mini-Auftragsboom in der Anfangsphase! Im Textil-Grosshandel in Kampala haben wir eine tolle Zusammenstellung an Stoffen mit fantastischen Mustern und Farben erstanden und sind vorbereitet für Aufträge zu Maßanfertigungen. Außerdem haben wir noch zwei Textilfabriken am Start für größere Chargen, dann ggf. auch mit Standardmodellen zusätzlich zu den maßgeschneiderten Unikaten. Neben den Dirndln können wir später noch weitere Produkte anbieten, wir haben z.B. eine Lederfabrik als Partner gewinnen können. Aber step-by-step…

The Making of JINJA-CHIC, der Film.

Nach 5 Jahren und mehreren Dutzend produzierten wunderschönen Dirndl-Unikaten haben wir das Geschäft beendet.

Fazit Theresa:

Meine schönsten Erlebnisse

Der Einzug in „unser Haus“ am See, unseren kleinen angelegten Garten (u.a. Vanille), den Haus- und wilden Tieren, die Einkäufe im Zentralmarkt, die ersten Kontakte zu Einheimischen (der „Dodo“-Pflückerin und ihrer Tochter, unserer Maid Maureen, Lydia, den Askaris), von Sonnenaufgang (fantastisch) bis Sonnenuntergang (beeindruckend) „draußen“ zu sein, das Klima, die grüne Landschaft, unsere Ausflüge / Safaris in den Mabira Forest, zum Murchison Falls Nationalpark, zur Hairy Lemon Insel, Silvester am Nil, in den Kidepo Valley National Park. In den Wochen des Ankommens, Umschauens, Eingewöhnens fühlte ich mich auch keineswegs einsam oder zum Nichtstun verurteilt. Ich ging die wunderschöne Gegend am Victoriasee und Nil erkunden, saß im Garten, blickte in die Weite über den See, oder hoch in den Himmel, wo Vögel und Wolken vorüberzogen, las spannende Geschichten, machte ein kleines Mittagsnickerchen, malte. Es faszinierte und begeisterte mich die Entdeckung und Faszination der Farbenpracht und Muster von Stoffen und die Umsetzung in Kombinationen in Kleidern. Sportlich habe ich an München angeknüpft: ich kaufte mir ein Fahrrad. Aber das wichtigste ist, dass wir gesund geblieben sind.

Meine Erfahrungen

Mein Englisch hat sich ein wenig verbessert, ich dachte aber, dass es doch schneller geht, wenn ich in dem Land lebe. Aber wie auch immer, in einer fremden Sprache Wegbeschreibungen, Bestellungen, Einkäufe und Dienstleistungen zu regeln, etwas zu erreichen oder sich auszudrücken, macht stolz und manchmal auch Spaß. Abläufe und Alltagstempo sind deutlich langsamer. Oft wird Geduld und Toleranz bis an das Maximum gefordert. Offenheit, Vertrauen, Gutgläubigkeit, Blauäugigkeit werden erschüttert. “Du kannst Afrika nicht verändern, aber Afrika verändert dich“. Ein Muzungu zu sein (mit einer weißen Haut) definiert dich als reich, oder so von Einheimischen gesagt: „Für uns wissen wir, dass sie reich sind.“ Lassen wir es so stehen: Wenn er sagt, dass er weiß, dass ich reich bin, könnte er auch meinen, dass er glaubt, dass ich reich bin. Dann ist Uganda nicht so billig, wie du denkst. Arbeit (Dienstleistung) ist billig, aber Dinge wie Miete, Versorgungsunternehmen, Elektronik und importierte Waren sind teuer.

Ob das Leben im Ausland als Chance oder als Risiko zu betrachten ist?
Bestimmt ist es eine wunderbare Vorstellung, wenn man sich das Leben im Ausland so ausmalt: blauer Himmel, Sonnenschein, nur freundliche Menschen um einen herum, alles ist gefahrlos, den ganzen Tag zur freien Verfügung, Hausmädchen, die Kreditkarten parat, ausgedehnt frühstücken, relaxen. In den Augen der Daheimgebliebenen scheint so ein Expat-Leben der wahre Luxus zu sein. Aber es könnte auch ein isoliertes und eingezäuntes Leben sein, mit wenigen Kontakten, Verständigungsschwierigkeiten, Orientierungsschwierigkeiten, Unwohlsein, Krankheit, kriminelle Verbrechen, erschöpft von der neuen Kultur, gelangweilt, genervt. Irgendwo in der Mitte liegt die Wahrheit. Aber es ist die Möglichkeit und die Zeit sich etwas Eigenes aufzubauen, eine Leidenschaft zu verfolgen und vielleicht einem Angestelltenverhältnis den Rücken zu kehren. Ein Auslandsaufenthalt kann reifer machen, das heißt verträglicher, gewissenhafter und emotional stabiler.

Fazit Ulf:

Schon vorbei??

Und ruckzuck ist so ein halbes Jahr rum. Unser Dank gilt unseren Familien, der Deutschen Rentenversicherung, meinem Arbeitgeber und dem Immobilienhype in München. Ihr alle habt uns unseren Traum ermöglicht, sechs Monate in Afrika verbringen zu können!

Wir wollten herausfinden, ob wir uns vorstellen können, länger hier in Uganda zu wohnen. Ein paar Wochen Urlaub ist eine völlig andere Geschichte, als hier wirklich zu leben. Und unser Resümee lautet: wir wissen es nicht. Uganda ist wunderschön, mit dem Victoriasee und der Nilquelle hier in Jinja, hat ein fantastisches Klima, alles ist etwas entschleunigt, lächelnde Menschen überall, tolle Nationalparks… Paradiesisch? Uganda ist auch: komplett korrupt und kriminell, unter der freundlichen Oberfläche nicht gerade fremdenfreundlich, nicht ungefährlich und super unzuverlässig. Die Aufarbeitung des Einbruchs in unser Häuschen hat für uns Europäer ungeahnte Dimensionen angenommen, mit Polizisten, die vorab für ihre Ermittlungen bezahlt/geschmiert werden wollten, um dann trotzdem jegliche Arbeit zu verweigern. Vielversprechende Spuren zu dem Diebesgut, die unsere „Spione“ entdeckt hatten, wurden plötzlich nicht mehr verfolgt, weil offensichtlich jemand die Ermittlungen behindert, bzw. gestoppt hatte. Wir haben gelernt, dass man hier keinem Einheimischen vertrauen sollte. Und dass man zwingend über gute Kontakte verfügen muss, um hier klarzukommen.

Weitere aktuelle Beispiele: Uganda stand bis vor kurzem weltweit als Musterland da, weil es so viele Flüchtlinge aus Südsudan und aus dem Kongo aufnimmt. Nun hat das UNHCR mal freundlich nachgefragt, wo genau die Milliarden denn so verblieben sind, die Uganda für die Bewältigung dieser Flüchtlingskrise erhalten hat. Die sind, nun ja, weg. Oder: Letzte Woche wollten hier zwei Südkoreaner (wohl legal) Gold kaufen. Beim geplanten Treffen mit dem Händler wurden sie dann von bewaffneten Polizisten einkassiert, die ihnen die Kohle abgenommen haben, davon Flugtickets kauften und die Koreaner nach Hause schicken wollten. Irgendwas ist da zum Glück schief gegangen, auch der zweite Flug mit einer anderen Airline klappte nicht und die Aktion wurde gestoppt. Die besagten Polizisten sitzen nun selbst im Bau. Wenn man als Weißer hier in einen Verkehrsunfall verwickelt ist, lautet die erste Regel: nichts wie weg! Sollte jemand verletzt worden sein, bringt man die Person möglichst persönlich ins Krankenhaus (am besten zu einem europäischen Arzt…), lässt sie verarzten und sich schriftlich bestätigen, dass das alles nicht so schlimm sei. Andernfalls steht nach zwei Tagen ein Anwalt auf der Matte und verlangt Millionensummen als Schmerzensgeld/Invalidenrente etc.

40 Millionen Ugander sind alle schlechte Menschen? Jede Person, die man hier kennenlernt, ist kriminell? Da schreit unsere weltoffene und tolerante Grundhaltung: Aua! Jeder Psychiater schaut ja erstmal nach Kindheitstraumata bei der Anamnese, wir haben uns auch endlose Gedanken gemacht, warum das hier in Uganda so extrem ist. Auch wollen wir unsere positive Grundeinstellung gegenüber Menschen im Allgemeinen nicht über den Haufen werfen. Über die letzten paar Generationen hat sich offensichtlich hier eine Grundhaltung entwickelt, nach der man nimmt, was man jetzt kriegen kann und nicht an Morgen denkt. Vom Kolonialismus über die Schreckensherrschaft Idi Amins, die LRA im Norden, Rebellen aus dem Kongo im Westen, korrupte und ausbeuterische Arbeitgeber aus Indien, nun auch noch chinesische Bauunternehmen mit fragwürdigen Arbeitsmodellen. Politiker, deren Stimmen zur Verfassungsänderung öffentlich gekauft werden. Jeder hier scheint sich die Taschen vollzustecken, ein Abteilungsleiter einer staatlichen Baugesellschaft hat z.B. vom Auftragnehmer ganz offen Schmiergeld verlangt, da er seinen Chef auch schmieren musste, um diesen Job überhaupt zu bekommen, und er nun an Refinanzierung denken müsse.

Und dann gibt es vielleicht noch so eine Art RobinHoodKarlMarx-Syndrom, nach dem man den Reichen ruhig was abzwacken kann. Und jeder ist reicher als die einfachen Menschen hier, die vielerorts in Wellblechhütten hausen. Wir waren naiv und gutgläubig, jeder konnte unseren „Reichtum“ sehen, die Computer, die Kameras, den Schmuck… Gestern Abend haben wir über die Formulierung diskutiert, dass man überall einen „Preis“ zahlen muss. Für mich persönlich ist das Leben in Deutschland z.B. nicht unbedingt reizvoll, mit Regulierungen und Verboten überall, das wäre dann der „Preis“ für mich. Etwas abenteuerlicher und selbstverantwortlicher darf es schon sein, auch wenn es dadurch riskanter wird. Es ist ganz schwierig, hier eine Grenze zu ziehen, wo die Akzeptabilität aufhört, und es ist eine sehr individuelle Positionierung. Wir werden zurück in Deutschland nach ein paar Wochen Akklimatisierung und mit etwas Abstand das Thema immer weiter diskutieren.


Kommentare

0 0 votes
Article Rating
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments