Afrika, wie ich es sehe
Meine senegalesischen Freunde in München bedrängen mich, endlich einmal den Senegal zu besuchen. Nach meinem bisher einzigen Besuch in Westafrika (Ghana) steht für mich allerdings fest, dass mich das süd-östliche Afrika mehr anspricht. Ausgedehnte Safaris gehören für mich unbedingt dazu, und in Westafrika gibt es kaum Wildlife. Zudem stehe ich mit der französischen Sprache auf Kriegsfuß, Französisch und ich haben entschieden, dass wir nicht füreinander gemacht sind. Und so habe ich inzwischen fast alle englischsprachigen Länder in Südost-Afrika bereist.
Viele Menschen sagen: „Oh Afrika, ist es da nicht zu heiss/zu gefährlich?“, oder „Afrika kenne ich auch, ich war da mal im Badeurlaub in Kenia“.
Afrika ist der zweitgrößte Kontinent mit 54 Ländern, 1,4 Milliarden Menschen aus 3000 Bevölkerungsgruppen, die 2000 Sprachen sprechen. Soviel zur Diversität. Einige Gemeinsamkeiten gibt es jedoch: Alle haben in der Geschichte Erfahrungen mit „den Weissen“ machen dürfen. Erst wurden sie kolonialisiert, missioniert und dann versklavt. In der Berliner Kongokonferenz 1885 wurde der Kontinent aufgeteilt mit willkürlicher Grenzziehung, daher die wie mit einem Lineal gezogenen Grenzlinien. Es war ein Lineal. Uralte Völker wurden plötzlich getrennt, fremde Völker mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen, Religionen sollten sich fortan als geeintes Land fühlen und Nationalstolz entwickeln. Am besten noch in einem demokratischen System, das gefällt „den Weissen“ besonders gut, dann gibt es noch etwas mehr Entwicklungshilfe.
Ghana ist eines der Lieblingsländer Europas. Es ist friedlich und demokratisch. Der demokratisch gewählte Präsident bittet bei großen Entscheidungen um eine Audienz beim König der größten Bevölkerungsgruppe der Ashanti, dem „Asantehene“. Autokennzeichen an seiner gepanzerten Luxuskarosse aus Stuttgart: AS1. Sobald dieser zustimmt, wird das Vorhaben ein „demokratisch legitimiertes Gesetz“.
Ghana muckt auch nicht auf, wenn Westeuropa Reste aus der Geflügelproduktion (wir essen ja bevorzugt die Hähnchenbrüste) in Schiffsladungen zu Spottpreisen auf den ghanischen Markt wirft. Sehr zur „Freude“ der einheimischen Geflügel-Kleinbauern. Und die riesige Müllkippe bei Accra eignet sich auch hervorragend als Abladestelle für unseren Elektroschrott.
Nachdem sich „die Weissen“ die unermesslichen Bodenschätze gesichert hatten, wurde nach den Unabhängigkeitserklärungen vieler Staaten mit der größten Geldvernichtungsmaschine namens „Entwicklungshilfe“ das eigene Gewissen reingewaschen. „Was können wir dafür, wenn die afrikanischen Herrscher alle so korrupt sind?“
Besuch des Direktors eines UN-Hilfsprogramms in Uganda. Uganda hatte sich hervorgetan als besonders großzügig und hilfsbereit gegenüber vielen Kriegsflüchtigen aus dem benachbarten Südsudan, dem jüngsten Land Afrikas. Nun hatte u.a. die UN zwei Milliarden US$ oder so lockergemacht für das Flüchtlingsprojekt. „Auf meiner Liste stehen viele neue Landcruiser. Die müsste ich bitte mal inspizieren.“ „Ja, hmm. Ach ja, die Landcruiser. Stimmt. Die sind gerade in der Werkstatt. Und die vielen Brunnen, die finanziert wurden, sind auch noch nicht ganz fertig. Aber wir tun unser Bestes!“
Der Zugriff auf die Bodenschätze bleibt. Während des Kalten Krieges fanden dann noch diverse Stellvertreterkriege statt, um sich den Zugriff, auch auf militärstrategisch wichtige Regionen zu sichern. In Südafrika wurden die Ureinwohner, jeglicher Menschenrechte beraubt, von den weissen Siedlern in „Homelands“ gepfercht und als Arbeitssklaven missbraucht. Das nannte sich „Apartheid“. Ich hörte einen Priester der „Dutch Reformed Church“ in Stellenbosch, der predigte, dass Schwarze keine Menschen sein.
Jetzt entdecken die Chinesen Afrika. Sie versprechen eine andere Art der Zusammenarbeit, investierten in Strassen, Eisenbahnen, Häfen etc., die mit langfristigen Knebelverträgen mit Rohstoffen abbezahlt werden müssen. Außerdem eignet sich Afrika als neuer Absatzmarkt für chinesischen Plastikschrott, Billighandys und -textilien, die nebenbei die heimische Baumwollindustrie töten. Von Söldnerarmeen, die bei Militärputschen unterstützen, ganz zu schweigen.
Der Afrikaner, der sich dieser Historie bewusst ist, sieht sich nun mit jungen, weissen (meist) „Entwicklungshelfern“ konfrontiert.
Junge Menschen mit hehren Vorsätzen, die als „Volunteers“ für ein halbes Jahr oder so nach Afrika kommen. Viele dieser Volunteers glauben, mit ihrem 3er Abi befähigt zu sein, den armen, ungebildeten Afrikanern erklären zu können, wie sie ein besseres Leben führen könnten. Ich habe Architekturstudenten erlebt, die afrikanischen Bauern in den abgelegensten Gegenden Ugandas zeigen wollten, wie sie ihre Lehmhütten besser bauen können. Das machen sie seit hunderten Jahren und die Hütten haben ein besseres Raumklima als die meisten unserer Häuser.
In Blantyre (Malawi) sass ich in einer Kneipe und unterhielt mich mit einem Entwicklungshelfer. Zu dem Zeitpunkt waren über 50 verschiedene NGO´s in Blantyre aktiv. Jede NGO hat natürlich ein Management, das sich um Entwicklungshilfegelder bemüht. „Fund raising“ nennt sich das. Wenn dann Geld reinkommt, wird schnell ein Projekt definiert. „Wir könnten mal wieder was mit Frauenrechten machen“. Jede NGO vor Ort verfügt über Projektleiter, die bevorzugt nagelneue Toyota Landcruiser fahren. Gern mit Chauffeur. Häufig wird also nicht ein konkreter, aktueller Bedarf (Dürre z.B.) festgestellt, dem man begegnen möchte, sondern man sucht nach Wegen, vorhandene Gelder zu verbrennen und die eigene Daseinsberechtigung zu manifestieren …
Natürlich gibt es Ausnahmen, z.B. habe ich einen Direktor des „One Acre Funds“ in Jinja, Uganda kennengelernt. Sie scheinen den Bauern zu viel besseren, nachhaltigen Ackerbaumethoden zu verhelfen.
Im Jahr 2022 gaben die DAC-Länder weltweit insgesamt rund 218 Milliarden US-Dollar für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aus. Dem DAC (Fachausschuss für Entwicklungszusammenarbeit der OECD, englisch: Development Assistance Committee) gehören 30 OECD-Länder an. Die Mitglieder des DAC haben im Jahr 1970 versprochen, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe aufzuwenden. Quelle: https://de.statista.com/
Unser o.g. afrikanischer Freund denkt sich nun: Die müssen ja verdammt viel Geld haben, wenn sie das hier derart versenken. Da muss ich auch hin.
Für mich ist es umso bemerkenswerter, wie gastfreundlich, fröhlich und hilfsbereit viele Afrikaner sind. Bei meinen vielen Autopannen irgendwo im Nirgendwo hat es nie lang gedauert, bis erste Helfer kamen. Und die kannten dann einen, der einen kannte, der einen geplatzten Kühler reparieren kann. Ich habe an wildfremde Haustüren geklopft in Sambia und der Bewohner hat seinen Sohn mit dem Fahrrad losgeschickt, um Benzin zu organisieren. Ich stelle mir vor, an wie viele Haustüren ich hier in München klopfen müsste, um Hilfe zu bekommen.
Es ist NIE öde in Afrika, alles ist intensiver. Ich hatte wunderschöne Erlebnisse, habe fantastische Menschen kennengelernt und wilde, ungezähmte Natur bewundert. Dennoch erlebte ich auch, dass unser Haus in Jinja ausgeraubt und unsere Tasche mit Geld und Pässen in Simbabwe aus dem Zug geklaut wurden. Den Handtaschendieb in Stellenbosch, Südafrika, habe ich noch erwischt. Allerdings tat er mir hinterher fast leid, als er von den Polizisten auf der Wache mit einem Gummiknüppel verprügelt wurde. Bei den Diebstählen waren wir selbst auch einfach zu unvorsichtig.
Meine Interpretation ist: Afrika polarisiert. Entweder du liebst diesen Kontinent und bist dem Virus hoffnungslos verfallen, oder er stößt dich ab und du fühlst dich unwohl oder unsicher.
Und nun viel Spass auf dieser Homepage (es ist übrigens die 6. Version nach 1999!). Ich freue mich über jeden Kommentar.
Hakuna Matata,
Ulf